Dänemark Blockt alle Fragen ab

Viele Widersprüche und fragwürdige Entscheidungen im Fall Block / Hensel

 

Was ist faul im Staate Dänemark? Wie bereits in der letzten Folge berichtet, hätte nach Ansicht von Rechtsexperten weder das Familiengericht in Sonderburg am 17. Februar 2023 noch in zweiter Instanz das Landgericht West am 27. April 2023 eine Rückführung der Block-Kinder Klara und Theodor nach Deutschland nach dem Haager Kinderentführungsabkommen (HKÜ) ablehnen dürfen. Zwar sieht auch das HKÜ nach Artikel 13 Absatz 1 eine Ausnahmeregelung im Falle eine „schwerwiegenden“ Gefahr bei der Rückführung vor, aber „laut HKÜ darf das Land, das die Rückführung verweigert, nur prüfen, ob es eine Kindeswohlgefährdung gibt. 


Die Entscheidung darüber soll aber danach getroffen werden, welche Einschätzungen die Behörden aus dem Entführungsstaat mitgeben, das heißt hier: deutsches Jugendamt, deutsches Gericht“, erläutert die Flensburger Familienfachanwältin Irina Keil von der Kanzlei Hoeck Schlüter Vaagt (siehe Interview in den beiden letzten „wirklich“-Ausgaben). So heißt es in Artikel 13 des HKÜ: „Bei Würdigung, der in diesem Artikel genannten Umstände hat das Gericht oder die Verwaltungsbehörde die Auskünfte über die soziale Lage des Kindes zu berücksichtigen, die von der zentralen Behörde oder einer anderen zuständigen Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes erteilt worden sind.“ Das dänische Urteil beruft sich aber alleine auf die eigenen Untersuchungen. 


Dabei wird im Übereinkommen nicht gesagt, an wen das Kind zurückzugeben ist. Vor allem wird nicht verlangt, dass das Kind in die Obhut eines zurückbleibenden Elternteils zurückzugeben ist und an welchen Ort im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts es zurückzugeben ist.  In der Verordnung EG-Nr. 2201-2003 des Europäischen Rates („Brüssel II b“), der Dänemark allerdings nicht beigetreten ist, wird das in Artikel 27, Abs. 3 unter anderem noch einmal dahingehend präzisiert, dass die Rückführung nicht verweigert werden darf, wenn nachgewiesen wird, dass angemessene Vorkehrungen getroffen sind, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr zu gewährleisten.  Auch die Feststellung des dänischen Gerichts, dass das vom Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG)  beschlossene Sachverständigengutachten nur nach dänischem Recht durchgeführt und vollstreckbar sei, man also nur eine dänische Begutachtung zulassen könne, decke sich nicht mit den Vorschriften des HKÜ, erklärt Irina Keil, die auch die vom dänischen Gericht zitierte „Reife“ der Kinder bezweifelt,  die zum Zeitpunkt ihrer Aussagen, nicht zur Mutter zurückkehren zu wollen, gerade einmal 7 und 11 Jahre alt waren. „Selbst jetzt sind sie noch in einem Alter, in dem sie stark beeinflusst werden können“, betont die Anwältin.Mit der endgültigen Entscheidung, die Kinder nicht zurückzuführen habe Dänemark den Fall fälschlicherweise für sich rechtskräftig abgeschlossen, kritisiert Irina Keil. 


Für Christina Block sind die dänischen Beschlüsse jedenfalls eine Katastrophe, denn damit sind dort zunächst alle Instanzen ausgeschöpft, um ihre Kinder, für die sie laut OLG ja das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht hat, doch noch auf juristischen Weg zurückzuholen. Doch soweit hätte es gar nicht kommen dürfen, wenn schon 2021 der Beschluss des OLG zur Herausgabe umgesetzt worden wäre. „Wir sind so dicht beieinander und so kurz hinter der Grenze, wie kann es sein, dass in Dänemark die Sache so gänzlich anders eingeschätzt wird? Das ist traurig“, findet nicht nur Irina Keil. 


Auch für eine weitere Flensburger Familienanwältin, die namentlich nicht genannt werden möchte, zeigt der Fall Block /Hensel vor allem eines ganz deutlich, nämlich dass hier das „Recht mit Füßen getreten wurde“. Wie kann es sein, dass Dänemark sich ganz offensichtlich über internationale Vorschriften und Vereinbarungen hinwegsetzen kann und damit quasi im Nachhinein legalisiert was eigentlich Unrecht war, nämlich das Einbehalten der Kinder durch den Kindsvater. 


Und was sagt das dänische Urteil über das Vertrauen in deutsche Gerichte und Behörden aus? Fragen, die „wirklich“ auch dem Gericht in Sonderburg gestellt hat, das aber mauert und sich auf seine Verschwiegenheit beruft. „Festzuhalten ist, dass das Gericht Entscheidungen im Einzelfall nicht kommentiert und keine Rechtsberatung erteilt. Darüber hinaus liegen Ihre Fragen außerhalb der Antworten des Gerichts im Rahmen allgemeiner Anfragen. 

Generell lässt sich festhalten, dass, wenn sich das Gericht mit familienrechtlichen Fällen zu befassen hat, diese von der Akteneinsicht ausgenommen sind, ebenso wie Gerichtsverhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden“, antwortet Gerichtspräsident Peter Ulrik Urskov kurz und knapp. 


Unbeantwortet bleibt auch die Frage, warum Christina Block ihre Kinder auch weiterhin nicht zu Gesicht bekommt, obwohl ihr auch in dem dänischen Beschluss vom 27.02.2023 ein 14-tägiges Umgangsrecht zugestanden wurde. „Die einstweilige deutsche Entscheidung über den begleiteten Umgang in Dänemark ist gemäß § 4 des Kindesentführungsgesetzes anzuerkennen. Der Umgang ist als wesentliches Element in der Begrenzung der elterlichen Entfremdung, auf die sich die Mutter während des Verfahrens berufen hat, anzuerkennen. (…) 

Nach der deutschen Entscheidung hat der Umgang alle 14 Tage zu erfolgen, und es gibt keinen Grund, dies zu ändern. Alle 14 Tage wird ein begleiteter Umgang zwischen den Kindern und der Mutter im Familieretshuset arrangiert, dass die näheren Bestimmungen hierzu trifft“, heißt es dort. 


Doch alle Umgangstermine werden aus „Sicherheitsbedenken“ und angeblicher „Entführungsgefahr“ abgesagt. Wer genau dafür verantwortlich ist, lässt sich nicht eindeutig klären. Ob die Polizei, das Familieretshuset oder Stephan Hensel selbst, der schon den Besuch der Mutter an der Schule in Gravenstein als Entführungsversuch dargestellt hatte und immer wieder die Polizei alarmiert, die die Kinder schließlich sogar mit Alarmknöpfen ausstattete. 


Bereits in der Vergangenheit hatte Hensel Umgangstermine mit dem Argument platzen lassen, es müsse erst ein „Safe House“ gefunden werden. Diesmal soll der Absage ein Anruf des Vaters bei der Polizei über das Vorfinden von Videokameras in seinem Garten vorausgegangen sein. In den Akten ist später lediglich die Rede vom einem „Missverständnis“, doch weder das Familieretshuset noch die dänische Polizei und erst recht nicht Hensels Anwalt, Gerd Uecker, wollten sich dazu äußern, warum Christina Block der Umgang mit ihren Kindern, die der Vater laut Augenzeugen regelrecht von der Außenwelt abschottet, verweigert wurde. 


Die Frage, wie sich das mit dem Kindeswohl verträgt, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Überhaupt werden alle konkreten Fragen zum Fall Block / Hensel von den dänischen Behörden im wahrsten Sinne des Wortes „abgeblockt“. „Die Gemeinde Sønderborg wird sich zu dem Fall nicht äußern, da es sich um eine persönliche Angelegenheit handelt“,  schreibt Morten Jacobsen, Sprecher der Kommune Sonderburg. Auch die Polizei Süd- und Süderjylland beruft sich bei allen Fragen auf das so genannte „Polizeigeheimnis“, wie Kommunikationsmitarbeiterin Anette Johnsen mitteilt. Transparenz sieht anders aus. 


Dazu muss man wissen, dass das Gebäude des Familieretshuset in Apenrade, wo der Umgang hätte stattfinden sollen, durchaus ein sicherer Ort ist und sogar von der Polizei mit Kameras überwacht wird. Das bestätigt sogar Nina Husted Jørgensen, Kommunikationsberaterin beim familieretshuset: „Wenn das Familiengericht beispielsweise entschieden hat, dass der Umgang zwischen einem Elternteil und einem Kind als überwachter Umgang im Ort von der Familienrechtlichen Behörde stattfinden soll, verfügt die Familienrechtliche Behörde über die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen, damit der Umgang in einer für Kind und Elternteil sicheren Umgebung stattfinden kann“. Warum dann überhaupt die Absage? 


Fakt ist: Konsequenzen hat das Zuwiderhandeln gegen das per Gerichtsbeschluss festgelegte Umgangsrecht weder in Dänemark  noch in Deutschland, wo Christina Block bereits am 8.12.22  mit ihrem Antrag beim Familiengericht (Amtsgericht) Hamburg, ein Ordnungsgeld gegen den Kindsvater festzusetzen, gescheitert war. Seine Zurückweisung begründet das Amtsgericht ausgerechnet mit den dänischen Gerichtsbeschlüssen, die eine Zwangsvollstreckung zur Herausgabe der Kinder abgelehnt hatte, weshalb es dem Vater nicht zuzumuten gewesen sei, die Kinder zu Umgängen nach Hamburg zu bringen, wo genau dies gedroht hätte. 


Das klingt zumindest für Außenstehende absurd. Doch auf Beschwerde Blocks lehnt auch das OLG am 14.02.23 eine Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Vater ab, weil „es wegen abweichender Vereinbarung (von Zeit und Ort) des Umgangs an einem Verstoß des Vaters gegen die gerichtliche Umgangsregelung fehlt“. Wie erwähnt, hatte Christina Block nach der Weigerung des Vaters und auf Anraten des vom Gericht eingesetzten Umgangspflegers einer geänderten Umgangsregelung in Dänemark zugestimmt. Weder die Tatsache, dass die Mutter –  über den hier streitgegenständlichen Zeitraum – seit nunmehr knapp eineinhalb Jahren keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern hat noch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass allein die Weigerungshaltung des Vaters zum Einlenken der Mutter/des Umgangspflegers und damit zum Verlust ihres vollstreckbaren und mit Ordnungsmitteln bewehrten Umgangstitels geführt haben, rechtfertigen hier eine abweichende Entscheidung“, heißt es im Gerichtsbeschluss. 


Formaljuristisch mag die Vollstreckungsgrundlage fehlen, doch im Endeffekt ist damit wieder die Mutter die Dumme, die die Hilfe des Rechtsstaates in Anspruch genommen hat, gegen dessen Regeln der Vater mehrfach verstoßen hat – ohne dass dies in irgendeiner Weise Konsequenzen für ihn hatte. Damit waren die Entscheidungen letztlich nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt waren. Insofern könnte man  Markus Witt, Mediator und ehemaliger Bundesvorstand vom Väteraufbruch für Kinder e.V., durchaus Recht geben, wenn dieser in seinem Blog hochstrittig.org kritisiert, dass der Staat sein Gewaltmonopol im Familienrecht trotz der Sanktionsmöglichkeiten längst aufgegeben habe und damit der Selbstjustiz und Verfügungsgewalt über Kinder das Feld überlassen habe.  


Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. „Auch deutsche Gerichte prüfen, bevor sie Ordnungsmittel androhen oder durchsetzen, sehr genau, ob das noch dem Kindeswohl entspricht. Denn es geht ja um Menschen und nicht um Sachen“, erläutert Irina Keil. Zudem hätte das Gericht auf Antrag der Mutter zwar ein Ordnungsgeld festsetzen können, dieses hätte aber in Dänemark vollstreckt werden müssen, so die Fachanwältin. Selbst das eingeschaltete Bundesamt für Justiz konnte der Mutter nicht zu ihrem Umgangsrecht verhelfen.  Und damit sind wie wieder bei der Ausgangsproblematik, die Dänemark zumindest in Fall Block / Hensel zu einer „Oase für kindesentziehende Elternteile“ (Markus Witt) macht. 


Mit einer konsequenten Anwendung des HKÜ wäre es gar nicht zu den dramatischen Entwicklungen in der Silvesternacht 2023/24 gekommen und schon gar nicht zu den daraus folgenden gerichtlichen Entscheidungen in Dänemark und Deutschland, mit dem der OLG-Beschluss von 2021 endgültig ad absurdum geführt wurde. (Michael Philippsen)

Foto: Pixabay


Dazu mehr in der nächsten Folge. 

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