Absacker Kaikante

Planungen und Neubau können frühestens 2025 beginnen / Kostenfrage weiter offen

 

Der Flensburger Hafen sei so etwas wie das „Wohnzimmer der Stadt“ meinte Claudia Thakla Zehrfeld im Planungsausschuss. Und in diesem Wohnzimmer dürfte es in den nächsten Jahren ziemlich ungemütlich werden. Denn weder die Fachbereichsleiterin Stadtplanung noch die Gutachter vom Ingenieurbüro WKC Hamburg konnten Hoffnung machen, dass die Hafenpromenade an der Schiffbrücke, die am 23. November bei extremem Niedrigwasser teilweise um einen halben Meter abgesackt war, schnell wieder hergestellt werden kann. Nachdem die Experten aus Hamburg die Spundwände und Pfähle mittels Sidescan-Technologie und Tauchern untersucht hatten, ist klar, dass das aus dem Jahre 1954 stammende Bauwerk schon länger komplett marode war und der Abbruch der Kaikante nicht unbedingt eine Folge der Jahrhundertsturmflut vom 20.und 21.Oktober war. Trotz einer theoretischen Nutzungsdauer von 80 bis 100 Jahren hätten die Stahlpfähle, auf denen die Kaikante ruhte, das Ende ihrer Lebenszeit erreicht, erläuterte Karsten Holste von WKC. „Wir sprechen von einem Ersatz, nicht Sanierung“, stellte er klar.

 

Fehlender Korrosionsschutz im unteren Bereich habe dafür gesorgt, dass die Pfähle derart geschädigt seien, dass sie keine Resttragfähigkeit mehr hätten. „Die Bleche haben reihenweise Löcher und die Querschnitte haben sich wie ein Fächer aufgefächert“, schilderte der Experte den dramatischen Zustand, der vor allem den südlichen Teil der Promenade zwischen dem Anleger der „Alexandra“ und dem Oluf-Samson-Gang betrifft. Die Hafenpromenade war seinerzeit in verschiedenen Abschnitten (Blöcken) von ca. 25 bis 30 Metern gebaut worden. Im südlichen Teil wurden ausschließlich Stahlpfähle verwendet, so dass die Blöcke 5 bis 8 akut einsturzgefährdet sind. Hier empfehlen die Experten einen sofortigen Rückbau, da sonst die Gefahr bestehe, dass die Konstruktion möglicherweise komplett in den Hafen stürzen könnte. Holste warnte dringend davor, die Absperrung auch nur um wenige Meter zurückzusetzen, um Teile des Parkplatzes wieder freizugeben. In den Blöcken 3 und 4 waren sowohl Stahlpfähle als auch Spannbetonpfähle verwendet worden, im nördlichen Teil (Blöcke 1+2) Richtung Museumswert ausschließlich Spannbetonpfähle. Auch in den Blöcken 3 und 4 sind die Stahlpfähle zerstört, hier müsse es Lastumlagerungen zu den Spannbetonpfählen gegeben haben, so Holste. Die Spannbetonpfähle weisen Abplatzungen und Risse an den Kanten auf. „Sie sind ebenfalls am Ende ihrer Lebensdauer angekommen, aber nicht so stark zerstört wie die Stahpfähle“, erklärte Holste. Die Gutachter nehmen eine Resttragfähigkeit an, ob diese ausreicht, um diesen bislang ebenfalls abgesperrten Bereich wieder für Fußgänger freizugeben, sollen statische Berechnungen zeigen. Mittelfristig, so viel ist bereits klar, muss auch dieser Teil erneuert werden. Das gilt erst recht für die Spundwand, die unterhalb des Parkplatzes verläuft und die eigentliche Kaimauer bildet. Hier hatten die Gutachter starke Abrostungen von ca. 4-5 mm festgestellt so dass die Tragfähigkeit auf ca. 50-60% reduziert sei. Durch „Lochfraß“ trete immer wieder Sand aus, was zu einer welligen Oberfläche führe. In der Vergangenheit war es bereits mehrfach zu Absackungen etwa im Bereich der Parkfläche gekommen, so dass das TBZ diesen Bereich im wieder mit Sand auffüllen musste. Die fehlende Robustheit des Hafenwerks sei teilweise auch auf die sparsame Bauweise zurückzuführen, erklärte Holste.

 

So hatte man zum Beispiel einen der Pfähle der Betonplatte gleichzeitig als landseitigen Gründungspfahl für die Spundwand verwendet. Zudem habe die Technik gefehlt, um alte Pfähle des vorherigen Hafenwerks erst zu entfernen, so dass die neuen Pfähle teilweise unregelmäßig in den Boden gesetzt wurden. Angesichts der umfassenden Schäden steht fest, dass ein kompletter Ersatz der Kaimauer vonnöten ist – dabei sollen vor dem Hintergrund des Klimawandels und als Lehre aus dem verheerenden Hochwasser im Oktober 2023 auch Hochwasserschutzmaßnahmen mit einfließen. Bevor überhaupt mit den Bauarbeiten begonnen werden kann, müssten erst die Ergebnisse von verschiedenen Gutachten zum Küstenschutz und Regenwassermanagement abgewartet werden, erklärte Claudia Takla Zehrfeld. Dabei gehe es unter anderem um die Frage, welche Höhe die Kaimauer für künftig zu erwartende Wasserstände haben müsse, ob eine „zweite Verteidigungslinie“ nötig sei oder mobile Wände Abhilfe schaffen könnten, erklärte die Stadtplanerin, die dabei auch auf Fördermittel hofft. Mit Ergebnissen rechnet sie nicht vor 2025, so dass die Stadt erst dann in die konkrete Planung und europaweite Ausschreibung der Baumaßnahme gehen kann. Gleichzeitig sei auch eine Bürgerbeteiligung zur künftigen Gestaltung der Fläche vorgesehen. Bürgermeister Henning Brüggemann sprach sogar von einem „Zeitraum bis 2030“, den die Stadt in Absprache mit der Landesregierung Zeit habe, ohne einen möglichen Anspruch auf Landesmittel im Zusammenhang mit Sturmflut-Schäden zu verlieren. „Wir sollten uns davor hüten ein Zieldatum in den Raum zu stellen“, schloss der Ausschussvorsitzende Pelle Hansen (Bündnis 90/Die Grünen). Auch die Frage nach den möglichen Kosten blieb unbeantwortet. „Wir sollten uns auch überlegen, wie wir mit den Stadtfesten in der Zeit der Baustelle umgehen“, gab Pelle Hansen noch zu bedenken. Ob eine regelmäßige Wartung oder rechtzeitige Modernisierung das Schlimmste vielleicht verhindert hätte, traute sich aber offenbar keiner der Politiker zu fragen. (Michael Philippsen)

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